Schatz, halt’s Maul! Interview mit Sven van Thom

Wie bereits versprochen gibt es beim aktuellen Blick über den Tellerrand ein Interview mit Sven van Thom, der sich freundlicherweise die Zeit nahm, mir Rede und Antwort zu stehen.

thomas hageleit [esistjuli.de]: Herzlichen Glückwunsch zum einstelligen Abschneiden beim Bundesvision-Song-Contest 2009. Was war das Überraschendste an diesem Abend für dich?
Sven van Thom: Das Überraschendste und zugleich auch Unangenehmste war wohl der Moment, in dem während der Punktevergabe ein Radio-Moderator seiner Kollegin an die Brust fasste und dafür (zurecht) eine Schelle einstecken musste. In dem Moment habe ich mir gewünscht, ich hätte diesen furchtbaren Augenblick nicht miterleben müssen.

Und was das Verstörendste oder Ernüchterndste?
Nun ja, das eben Genannte war auch gleichzeitig das Verstörendste.
Ernüchternd war im übrigen die Temperatur im so genannten Green Room, das ist der Ort, wo sich die Bands und Künstler währen der Veranstaltung aufhalten müssen. Hier und da standen knapp bekleidete Hostessen herum, um Fahnen zu schwenken oder einfach nur um hübsch auszusehen. Die Gänsehaut war jedoch nicht zu übersehen. Gemütlich ist etwas anderes. Aber an und für sich war es aber doch ein ganz netter Abend, auch wenn ich hier gerade nur von den negativen Aspekten berichte.
Aber Du hast ja auch so spezifisch gefragt.

In der ersten Frage hätte ich mich doch auch über einen positiven Aspekt gefreut. Kanntest du die meisten oder viele der auftretenden Künstler bereits vorher von anderen Veranstaltungen? Erzähle uns doch bitte gerne auch noch eine besonders schöne Begebenheit.
Mindestens vom Namen her kannte ich die meisten Bands und Künstler. Sehr gefreut habe ich mich, als ich mir wenige Tage vor dem Contest den TV Total-Auftritt von FOTOS im Internet angesehen habe und feststellte, dass ich den Bassisten kenne: Frieder war vor gefühlten tausend Jahren Assistent in dem Tonstudio, in welchem wir mit Sofaplanet unsere erste Platte aufgenommen haben. Beim Contest habe ich ihn zum ersten Mal seit dem wiedergesehen. Das hat mich gefreut.

Hat man euch eigentlich erklärt, warum der Green Room „Green Room“ heißt, oder hat das sogar jemand von euch gefragt? Für mein Empfinden tun alle so, als sei das ganz normal so, dass der meist eher weiße Raum „Green Room“ heißt.
Ich kann mich erinnern, dass ich mir diese Frage vor zwei Jahren, als ich mit Beatplanet beim Contest war, auch gestellt habe. Aber ich kann mich nicht erinnern, irgendwoher eine Antwort bekommen zu haben. Und diesmal war der Begriff mir bereits so vertraut, dass er mich gar nicht mehr gewundert hat. Das hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass ich farbenblind bin. Grün, Weiß, Rot, Gelb: Ist doch alles eins. (Ha ha!)

Eva Briegel und Sven van Thom (Foto: Anna Witzel)Aufmerksamen Juli-Fans wirst du kein Unbekannter sein. Deine Band „Sofaplanet“ war bereits 2005 bei Juli Vorgruppe, deine Band „Beatplanet“ 2007. Eva trat in deinem Video „trauriges Mädchen“ vor die Kamera. Welche Frage würdest du jemandem mit dieser Biografie jetzt stellen?
Sag mal läuft da was zwischen Eva und Dir?

Und die Antwort?
Nun, wir wären zumindest ein sehr lustiges Paar, weil Eva etwa einen Kopf größer ist als ich. Das gäbe putzige Fotos in der Klatschpresse.

Jetzt bist du allerdings solo unterwegs. Dein Album „Phantomschmerz“ zeigt einen verspielten und versierten Umgang mit Sprache. Fällt dir Texte zu schreiben so leicht wie es mir beim Hören erscheint, oder steckt da eine Menge mehr Schweiß und Kampf dahinter?
Sobald ich eine zündende Idee habe, fällt mir das Texten durchaus leicht, und in guten Momenten brauche ich ca. eine Stunde, um ein Lied fertig zu schreiben. Es gibt aber auch Ausnahmen, in denen Textfragmente ein halbes Jahr herumliegen, langsam wachsen und erst nach Monaten fertiggestellt werden. Meistens jedoch geht es mit dem Texteschreiben bei mir doch recht flott vonstatten.

Wie entstehen deine Lieder (sofern es eine allgemeingültige Vorgehensweise gibt)? Erlebst du etwas, was du dann irgendwie in ein Lied packst, oder schließt du dich irgendwo ein und kommst da erst wieder raus, bis du eine Idee hattest, die in ein Lied zu wandeln ginge?
Manchmal habe ich Ideen für Lieder beim Fahrradfahren oder generell, wenn ich unterwegs bin. Dann schreibe ich die Idee grob auf und vervollständige den Rest zu Hause, mit der Gitarre auf dem Schoß, auf dem Bett sitzend. Manchmal reicht ein Stichwort, das ich irgendwo aufschnappe, und wenig später wird ein Lied daraus. So hörte ich zum Beispiel letztes Jahr zwei Mitarbeiter einer Eisdiele, wie sie sich über Anne Will unterhielten, während mein Banana-Split zubereitet wurde. Das war für mich Anstoß genug, ein Lied namens „Anne Will“ zu schreiben, in dem Anne Will selbst jedoch nur eine kleine Nebenrolle spielt.
Oft denke ich mir jedoch auch einfach nur so Sachen aus.

Beim Lied „unsere erste Scheidung“ nehme ich dem Sänger vollkommen ab, dass er sich trotz aller Widrigkeiten aus ganzem Herzen dieser Beziehung verschreibt, auch der Scheidung, und die als logischen Schritt wahrnimmt. Ist er ein herzensguter Mensch, der bedingungslos liebt, oder ein Verblendeter, der sich vehement der Realität verschließt?
Der erste Gedanke beim Schreiben dieses Liedes galt wahrscheinlich am ehesten dem Bild der Kaltblütigkeit und der Gemeinheiten. Schließlich wird der Ex-Partnerin darin unterstellt, dass die Kinder wohl von einem anderen Mann sein müssen, da sie ja so missraten sind.
Im Refrain kam dann wohl jedoch zu sehr mein wahres Ich zum Vorschein. Ich bin doch meistens darum bemüht, auch zu einer Ex-Partnerin weiterhin ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zu haben. Ich halte es für komplett absurd, schlecht von jemandem zu reden, mit dem man über eine gewisse Zeit eine Beziehung hatte. Schließlich hat man sich ja mal geliebt und viel miteinander geteilt. Und manchmal merkt man einfach, dass ein Leben zusammen nicht das richtige für die Beziehung ist, sondern, dass ein freundschaftliches Verhältnis eventuell angemessener wäre.
Deshalb finde ich auch nicht, dass der Ich-Erzähler in „Unsere erste Scheidung“ sich vor der Realität scheut, sondern er nimmt sich ihrer an und zelebriert Trennung als einen ganz normalen Teil des Lebens, der nicht unbedingt ein Ende für immer sein muss.
Aber eigentlich wird’s mir hier gerade zu küchen-philosophisch. So genaue Gedanken habe ich mir zu diesem Lied vorher noch nie gemacht. In erster Linie ging’s mir wohl um kurzweilige Unterhaltung und darum einen Text über Liebe zu schreiben, wie man ihn vorher noch nicht gehört hat.

In einigen Liedern des Albums scheinen mehr oder weniger deutlich typische „Western-Klänge“ durch. Im Video zu „Trauriges Mädchen“ reitest du auf einem Esel. Was bedeuten Western für dich?
Mein guter Freund Gotti, der in meiner Begleitband „Die stahlharten Bäuche“ die Akkustikgitarre spielt, ist begeisterter Western-Fan. (Bei Beat- und Sofaplanet spielt er den Bass.) Diese Leidenschaft kann ich nur bedingt teilen. Ich mag vor allem die Musik mit den typischen Twang-Gitarren, wie sie bei Ennio Morricone in den Sechziger und Siebziger Jahren oft Verwendung fanden. Und mit Gotti habe ich vor Jahren gemeinsam das Lied „Lady Snowflake“ zusammen geschrieben, das sehr Country-lastig ist. Das war ursprünglich mal ein musikalischer Scherz, an dem wir jedoch sehr viel Freude hatten, und nun ist das Lied endlich als Duett auf meiner Solo-Platte gelandet.

Auf deine Solo-Lieder bin ich durch Tex‘ tvnoir.de aufmerksam geworden, wo ich „ich könnte weinen“ sah, das mich sehr begeisterte. Ich war auch sehr glücklich darüber, dass du es auf der CD so schön sparsam arrangiert hast und da keine pompöse Schmalznummer draus gemacht hast. War die Versuchung da, es größer zu machen und aufzublasen?
Nein, nie. Dieses Lied war immer als ganz intimes Stück gedacht. Ursprünglich waren die Celli mal etwas virtuoser, wurden dann aber vereinfacht und zurechtgestutzt, da sie sonst zu sehr vom Gesang abgelenkt hätten.

Sind außer den Liedern, die auf der CD Phantomschmerz enthalten sind, auf der „Zurück zur Na“-Tour noch weitere Lieder zu erwarten?
Oh ja, einige. Da gibt es zum Beispiel das Lied „Besuch vom kalten Truthahn“. Jonas von JULI hat sich mal darüber beschwert, dass dieses Lied nicht auf der Platte ist. Leider fanden weder meine Produzenten noch meine Plattenfirma es lustig, ein Lied auf die CD zu nehmen, in dem alle paar Sekunden gesungen wird: „Schade, Schade, denn mein Baby hängt an der Nadel.“
Aber bei Konzerten hält mich niemand davon ab, das inbrünstig zu singen.
Neben ein paar neuen und uralten Liedern von mir, spielen wir auch jeweils einen Song von Gotti und einen von Sebastian Block, der die Tasten und die zweite Gitarre bei uns spielt. Außerdem ist ja auch Synje Norland, meine Duett-Partnerin in „Trauriges Mädchen“ mit dabei. Sie wird auch ein wunderbares Lied von ihrer Solo-Platte spielen – da singe ich nur ganz sparsam die zweite Stimme. Und falls eine Zugabe gewünscht ist, habe wir noch eine echt geschmacklose Coverversion eines 80er-Jahre-Hits vorbereitet, die aber verdammt viel Spaß macht.

Wird es eine Vorgruppe geben?
Es wird keine generelle Vorgruppe geben. Für Köln ist ein sehr unterhaltsamer Singer/Songwriter namens Friedemann Weise im Gespräch, aber das ist noch nicht bestätigt.

Wie müsste ich einem Konzert-Besucher, der zB nur deinen Beitrag beim BuViSoCo gesehen hat und dich möglicherweise in eine dem HipHop zugewandte Schublade stecken würde, erklären, was ihn gleich auf dem Konzert erwarten wird?
Sprechgesang wird nur eine sehr kleine Rolle an unserem Konzertabend spielen, aber eine willkommene Abwechslung zum restlichen Programm darstellen – allerdings „nur“ auf eine sehr scherzhafte Art und Weise. Dem Zuhörer werden verschwenderisch viele schöne Melodien um die Ohren geballert. Es wird nur sehr wenig verzerrte Gitarren geben, dafür einen großen Batzen Melancholie. Pitti und Hannes werden gekonnt am Bass und am Schlagzeug alles ausbügeln, was wir drei Gitarristen so vor uns hinstümpern. Ich bin leider nicht der größte Freund des ständigen Gitarre-Übens. Aber wenn Gotti und ich gut gefrühstückt haben, dann kann man sich auf einen verdammt unterhaltsamen Abend voller improvisierter Albernheiten und liebevoller Pöbelein freuen. Generell wird das Publikum hin und her gescheucht zwischen Melancholie und Albernheit. Und meine aktuelle Single „Schatz, halt’s Maul“ verbindet beides sogar gekonnt in einem Lied. Irre!

Hier die aktuellen Tourdaten der „Zurück zur Na“-Tour von Sven van Thom:

24. März 2009 – Mainz, Frankfurter Hof
25. März 2009 – Karlsruhe, JuBeZ
26. März 2009 – Hannover, Musikzentrum
27. März 2009 – Bremen, Lagerhaus
28. März 2009 – Ulm, Roxy
31. März 2009 – München, Ampere
01. April 2009 – Köln, Stadtgarten
02. April 2009 – Weinheim, Café Central
03. April 2009 – Stuttgart, Rosenau
04. April 2009 – Münster, Gleis 22
17. April 2009 – Erfurt, Club Central
28. April 2009 – Wupptertal, Forum Rex
29. April 2009 – Leipzig, Theaterfabrik Sachsen

Beide Fotos von Anna Witzel.
Aktuelle Informationen über Sven van Thom gibt es auf seiner schicken Webseite.
Sven van Thom im Juli-Forum.

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